Online-Diary und Qual-Insight-Community: Ethnografische Insight-Forschung mit digitalen Medien

19.08.2016
Dirk Ziems

Der Konsum ist im Zeitalter der Digitalisierung komplexer und vielschichtiger geworden. Alltagsabläufe werden flexibler gestaltet. Der Trend zum Multitasking führt dazu, dass Konsumenten zerstreuter sind, und Konsum häufig beiläufiger stattfindet. Zugleich verfügen die Konsumenten über immer mehr Vorbilder und Anregungen, wie sie im Alltag kochen, snacken oder auch Hausarbeit verrichten können. Entsprechend nehmen die Produkt- und Markenangebote drastisch zu. Aber auch das Shoppen wird komplexer und vielschichtiger. Die Anbieter im E-Commerce vervielfältigen sich und auch in der stationären Handelslandschaft entstehen immer neue Formate.

In dieser Lage wird ethnografische Forschung für das Marketing immer wichtiger. Diese Art der Forschung schaut besonders detailliert hin, wie Produkt- und Markennutzung im tatsächlichen Konsumalltag abläuft und welche Stimmungen und Verfassungen dabei relevant sind. Sie erfasst auch durch ihre direkte Beobachtung, welche Erfahrungen die Konsumenten genau mit Shopping und Service machen.

Wichtige Startpunkte der ethnografischen Forschung sind das Konsumententagebuch (Diary), Pretasks (vorgelagerte „Hausaufgaben“) und die Fotodokumentation. Darin wird festgehalten, was Tag für Tag und Stunde für Stunde in den Konsumwelten geschieht. Tiefeninterviews, die auf diesem Tagebuch- und Fotomaterial aus dem Konsumentenalltag aufbauen, erzielen eine besonders hohe Insight-Tiefe.

Mit neuen digitalen Devices und Plattformen kann der Prozess der Materialsammlung noch deutlich erweitert werden. Wir setzen dabei schwerpunktmäßig die folgenden Verfahren ein:

 

Online-Diary

Mit dem Online-Diary wird den Testpersonen ein Zugang für ihr persönliches digitale Tagebuch oder Logbuch bereitgestellt. Dort können sie entsprechend der mit unseren Auftraggebern abgestimmten Aufgabenstellungen Fotos einstellen, kurze Kommentare hinterlegen oder auf andere Weise dokumentieren, was für das Forschungsthema relevant ist.

Die Einträge können regelmäßig periodisch angefragt werden, etwa wenn die Testpersonen alle drei Studen per Messaging aufgefordert werden, ihren Getränkekonsum der letzten drei Stunden zu dokumentieren. Online-Pre-Tasks lassen den Testpersonen dagegen mehr Spielraum, immer dann etwas zu dokumentieren, wenn ihnen der Kontext relevant erscheint. Das Verfahren kann auch um Geo-Tagging und/oder die Erfassung von lokalen Bewegungsdaten erweitert werden, etwa bei der Forschung zum Shopping-Verhalten oder zu Store-Designs.

Dank responsivem Design können die Testpersonen ihre Erfahrungen von jedem Device aus (Smartphone, Tablet, Laptop) teilen. Nach Ablauf der Erhebungszeit wird der Zugang gesperrt, die Daten werden gesichert und dem Projektteam zur Verfügung gestellt.

Vorteile auf einen Blick

PLus Effektive verlustfreie Erfassung der Diary-Daten

PLus Höhere Akzeptanz des Verfahrens durch Vereinfachung der Einträge

PLus Erhöhter Alltagsbezug durch direkte Log-Einträge (Smart-Phone-Messaging)

PLus Möglichkeit zur Kontrolle und zur Interaktion mit den Testpersonen während der Erstellung der Diaries und Pre-Tasks

PLus Mögliche Einbeziehung von Bewegungsdaten (Geotagging)

 

Online-Insight-Communities

Im Rahmen von Online-Insight-Communities werden die Forschungsmöglichkeiten noch deutlich erweitert. Hier wird eine Gruppe von meist 30 bis 40 Konsumenten, die sorgfältig nach bestimmten Screener-Kriterien ausgesucht werden, zur Teilnahme an einem Online-Panel-Forum motiviert. Im Rahmen dieses Forums, das für einen Zeitraum von ca.2 bis 4 Wochen eingerichtet wird, stehen den Teilnehmern verschiedene Bereiche bereit. In einem „privaten“ Bereich können sie Ihre Beiträge analog wie bei einem Online-Diary eintragen. Sie können Ihre Beiträge aber auch in ein Diskussionsforum setzen, und darin mit anderen Teilnehmern ihre Erfahrungen austauschen. Beispielsweise können Autokäufer sich in dem Forum dazu austauschen, welche Erfahrungen sie im Kaufprozess insgesamt oder speziell in Autohäusern machen.

Unsere Moderatoren strukturieren das Diskussionsgeschehen in der Insight-Community. Sie gehen – oft nicht-öffentlich – auf einzelne Teilnehmer ein und stellen tiefer gehende Fragen. Sie geben für die gesamte Community Aufgaben vor, so z.B. Mystery-Shopping-Aufgaben wie Informationssuche für einen neuen Smartphone-Vertrag inklusive anschließendem Erfahrungsaustausch.

Weitere sehr spannende Medien, die für die Insight-Communities bereitstehen, sind White Boards, Mappings, visuelle Drag- und Drop-Aufgaben und Picture-Sorts, die helfen, die Themen über die rein ethnografische Forschung hinaus zu vertiefen.

Die Materialfülle, die im Rahmen von Insight-Communities entsteht, ist eine große Bereicherung für den gesamten ganzheitlichen Forschungsprozess. Wir setzen die Insight-Communities dabei häufig nicht als Ersatz, sondern als ergänzenden Resonanzraum für die klassische qualitative Forschung ein. Die Insight-Community wird dann zur Hypothesengenerierung initiiert, bevor klassische Tiefeninterviews oder Fokusgruppen durchgeführt werden. Wenn anschließend belastbare Befunde aus den Face-to-Face-Explorationen vorliegen, werden diese mit Hilfe daraus abgeleiteter Aufgabenstellungen in der Insight-Community verprobt.

Wir setzen für unsere Insight-Communities Moderatoren ein, die über langjährige Erfahrung in der morphologischen Marktforschung verfügen. Dadurch ist sicher gestellt, dass die Communities nicht bloß eine inflationäre Ansammlung qualitativer Daten widerspiegeln, sondern zu besonders aufschlussreichen Insights über den tiefer liegenden Sinn der Konsumentenerfahrungen führen.

Vorteile auf einen Blick

PLus Einbindende Gruppeneffekte motivieren die Teilnehmer zu engagierter Teilnahme

PLus Diskussion und Kommentierung erzeugt höhere psychologische Insight-Tiefe

PLus Relativ lange zeitliche Ausdehnung ermöglicht großen Output von authentisch-alltagsnahem Forschungsmaterial

PLus Steuerung der Community durch Aufgabenstellungen der Moderatoren

PLus Community-Teilnehmer können von Moderatoren auch einzeln angesprochen und weiter motiviert werden

PLus Nutzung von abwechslungsreichen Tools wie White Board, Mapping, Picture Sorting

PLus Einsatz besonders marktpsychologisch geschulter Forscher als Moderatoren

PLus Umfassende Verknüpfung mit F2F-Expolorationen im Forschungsprozess möglich

 

Anwendungsbeispiel / Use Case

Ein Reiseveranstalter will umfassend verstehen, welche Erfahrungen Kunden rund um die Urlaubs-Pauschalreise machen, und mit welchen Maßnahmen die Kunden besser angesprochen und gebunden werden können.

Im Rahmen einer morphologischen Customer-Journey-Forschung werden verschiedene Forschungsmodule integriert: Einerseits werden morphologische Einzelinterviews mit Testpersonen nach ihrer Pauschalreise durchgeführt, die während ihrer Urlaubsreise ein Online-Diary geführt haben.
Begleitend wird im Rahmen einer zwei Wochen langen Insight-Community besonderes Augenmerk darauf gelegt, wie Pauschalreisende ihre Urlaubsreise und ihren  Reiseveranstalter aussuchen und wie sie im Vorfeld Informations- und Verkaufsangebote nutzen (Online-Seiten der Veranstalter, Vergleichsportale, gelegentlich: Reisebüros).

Durch die zeitliche Verknüpfung der verschiedenen qualitativen Tools erzielt der Gesamtforschungsprozess eine besonders facettenreiche Ergebnistiefe in Bezug auf die Customer Journey und befördert zentrale neue Insights hervor, die entscheidende Impulse für die Produktgestaltung und das Service-Design des Reiseveranstalters geben.

Bei Fragen wenden Sie sich bitte an dirk.ziems@test.local

Dirk Ziems
Dirk Ziems ist Experte für tiefenpsychologisches Marketing und berät auf Basis von Markt-, Medien- und Kulturforschung weltweit Unternehmen und Konzerne in zahlreichen Branchen und Ländern. Als Mitbegründer der Global Research Boutique Concept M und der Marketingberatung Flying Elephant begleitet er Themen wie die Adaption von Erfolgsprodukten in neuen kulturellen Kontexten, das tiefe Verständnis neuer Konsumgenerationen in China und USA, die Transformation der Werbekommunikation in der neuen digitalen Medienwelt oder die Neuorientierung der Brands in Post-Corona-Zeiten. Dirk Ziems ist auch als Gastdozent an verschiedenen Universitäten tätig.
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